Erstveröffentlichung: 02. August 2014
Label: /
Format: Download
Es folgt eine Review zu einem Album, das momentan nicht mehr erhältlich ist. Ist das zynisch? Nein, denn man kann auch über gute Musik schreiben bzw. Texte über sie lesen, wenn sie gerade künstlich verknappt ist. Doch bevor ihr in Panik verfallt: Wenn ihr nett fragt respektive Lea-Won durch Erwerb eines älteren Albums finanziell unterstützt, werden wohl schon bald mehr Downloads auf seiner Bandcamp-Seite verfügbar sein.
Von wem ist hier eigentlich die Rede? Lea-Won hat schon eine ganze Reihe an hörenswerten Alben und Tracks publiziert (siehe Bandcamp) und ist in Münchens Rap-Szene äußerst umtriebig (siehe beispielsweise Youtube, Stichwort: ORS Sessions). Bei Don’t Let The Label You hat er ebenfalls gebattlet. Seine Parts gegen Trump wurden seinerzeit allerdings wenig gewürdigt. Zugegeben: Gemessen daran, welche Themen Lea-Won ansprach, ist das nicht unbedingt überraschend. Die Rap-Welt wird halt (meistens) zum Sensibelchen, wenn sie den Spiegel vorgehalten bekommt.
Dabei ist die Aufregung eigentlich nicht begründet. Klar, da ist Einer unangenehm, aber das muss HipHop mindestens aushalten und im optimalen Fall aufgreifen können. Darüber hinaus kann der junge Mann aber wirklich was. Flows, Reime, Inhalt – check, check, check. Da hat sich kein Toy das Mic gegriffen, um ohne Skills seine Gedanken in die Welt zu pusten. Hier stimmen sowohl handwerkliches Können als auch Dringlichkeit der Lyrik überein.
„Lernt mich lieben Vol.4“ ist politisch. Nicht in jedem Wort und jeder Zeile und nicht in dem Sinne, das alle acht Bars nach der Revolution geschrien wird. Eher so, dass mal introvertierter individuelle Probleme angesprochen werden („Jemand stirbt“) und mal plakativer Dinge gefordert werden („Leerstand und Knappheit“). Die Lyrics zu „Metropolphantom“ muten dann sogar beinahe wie eine stadtsoziologische Abhandlung an. Simmel wäre stolz.
Auch die anderen Beteiligten verdienen ein Lob. Die Beats (u.a. von deefos, Harry Crotch und Dakta) sind – wenn auch nicht immer wirklich innovativ – durch die Bank weg gut. Die Featuregäste, vor allem die Oberantilope Koljah, überzeugen ebenfalls. Umso erstaunlicher, dass dieses Album überhaupt nicht am Stück geschrieben wurde, sondern Songs, die zwischen 2011 und 2013 entstanden, versammelt. „Lernt mich lieben Vol.4“ klingt definitiv homogener als es dieser Schaffensprozess vermuten ließe.
Tja, schade. Diese Rezension ist leider nicht zum Bluthund mutiert, der sich an manchen Stellen festbeißen und diese zu Tode kritisieren könnte. Tut mir leid. Ich finde das selbst etwas langweilig, denn ein bisschen Spektakel muss schon sein. Ich habe das Album aber gewissenhaft mehrere Male gehört und nichts gefunden, was ich zerfleischen könnte. Im Gegenteil. „Politisiert“, „Sklave des Reims“ und „Morgen Morgana“ laufen hier gerade in Dauerschleife. Zum Glück habe ich tolerante Nachbar*innen.
Lasst das Popcorn und die Cola stehen. Hier gibt es keinen Skandal. Nutzt eure Zeit lieber dafür, euch in den Weiten des Internets dieses sich rar machende Album zu besorgen. Und dann denkt mal über euer Leben nach.
5/5