BMCL: Roni87 vs. Merlin

Es begab sich zu einer Zeit als Rap am Mittwoch immer stärker an Popularität gewann. Darum fasste man den Entschluss: Lasst uns doch in andere Städte migrieren. Erstes Ziel: Köln. Um das Event besonders schmackhaft für das Volk zu machen, lud man sich zwei Experten ihres Faches ein: Roni87 und Merlin. Ersterer ballert seit jeher alles und jeden in Textrunden weg (hat er jemals eine Textrunde bei RAM verloren? Ein Fall für die Statistiker*innen). Letzterer zerstört nebenbei mal Leben. Es versprach also spannend zu werden.

Roni begann und legte schon mal gut los. Er sprach an, dass Merlin ein bisschen dick/Dick im Gesicht sei/hätte. Gut, Übergewicht ist mittlerweile nicht mehr das innovativste Thema in Battles, aber das hat er meiner Meinung nach ganz sympathisch verpackt. Dass er außerdem Merlins Projektion seiner Abneigung sich selbst gegenüber anspricht, ist einfallsreich. Zwar ließe sich das über jeden MC sagen, der sich im Battlekontext bewegt. Da Merlin aber ein außergewöhnlich aggressives Exemplar ist, dürfte diese Feststellung hier härter punchen als gegen einen Gegner wie Philipp Quh (no hate).

Das Problem an der Sache: Merlins erste Runde ist alles zerberstend. Ich habe wirklich lange nicht mehr eine so gute Runde im Written Battle gehört. Nicht unbedingt, weil ganz viele neue Stilmittel verwendet wurden (wie damals bei Laas Unltd. gegen Drob Dynamic), sondern weil einfach jede verdammte Line so übel puncht, dass man vor dem Bildschirm bzw. im Publikum das Gefühl hat, man könnte wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt werden. Eric Cartman – Mit 13 zum ersten Mal in Curse verliebt – Huan-Son – Regenwald in Europa – Vietkong – kein TÜV für Ronis Mercedes – Marge Simpson-Frisur – eigenes Bruttosozialprodukt. Uff. Keine Frage, wer die erste Runde für sich entschieden hat.

Doch obwohl diese Runde so extrem gut ist, kann Roni sie sogar punktuell kontern: Mit den Mercedes-Fiat-Punto- bzw. Offene-Beziehung-Rebuttals nimmt er Merlin aber natürlich nur stellenweise Wind aus den Segeln. Was er danach bringt, ist technisch hochanspruchsvoll und hat auch inhaltlich einige gute Ansätze zu bieten. Die Ausrufung von Schönheitsoperationen zum ersten Preis bei RAM-Events ist ein Rundumschlag, der Merlin (aufbauend auf dem Thema der ersten Runde) stärker trifft als Andere. Dazu passt auch der grumpy cat-Vergleich (der weniger weit hergeholt ist, als ich zunächst dachte – seht euch mal den Thumbnail vom Youtube-Video an). Den Abschluss der Runde bildet ein Exkurs in die psychologischen Mechanismen von Homophobie. Wer sich zwei Sekunden mit dieser Problematik auseinandergesetzt hat, wird wissen, dass es tatsächlich Studien gibt, die nahelegen, dass homophobe Männer überdurchschnittlich häufig homoerotische Fantasien hegen. Insofern: Doppelt guter Punch von Roni – einmal in Richtung Gesellschaft, einmal in Richtung Merlin.

Was Merlin dann in der zweiten Runde anstellt, schadet vor allem dem guten Eindruck des ersten Parts. Ronis politische Einstellung ist bekannt und wurde auch schon in seinem Tag Team-Battle mit Proton gegen Brian Damage und Harry Crotch angesprochen. Des Weiteren ist es kein Geheimnis, für welche Konfliktpartei das Herz der deutschen Gesellschaft schlägt. Dass Merlin Israel-Lines bringt, war somit abzusehen. Das mag populistisch anmuten, ist in einem Battle aber sicherlich kein schlechtes Stilmittel um das Publikum auf seine Seite zu ziehen. Im Gegensatz zu den meisten im Internet pöbelnden Kartoffeln macht Merlin vor allem eines richtig: Er kritisiert explizit die israelische Regierung und nicht den Staat Israel bzw. „die“ Juden und Jüdinnen. Wer sich über schwingende Antisemitismus-Keulen beschweren möchte, sollte an dieser Stelle noch bedenken, dass auch die übermäßige Kritik an einem Staat nichts mehr mit Objektivität zu tun hat. Im Fall Israel ist es so, dass jede Aktion mit Argusaugen beobachtet wird, während gleichzeitig beispielsweise Assad sein Volk abschlachten darf, weil das Thema Syrien irgendwie nicht mehr „in“ ist. Ich möchte gar nicht so sehr auf die politische Perspektive eingehen, MUSS an dieser Stelle aber betonen, dass es mir in Merlins zweiter Runde zwar politisch einige Male eiskalt den Rücken runtergelaufen ist, ich seine Herangehensweise aber battlemäßig als legitim erachte. Nichtsdestotrotz hat die Sache einen Haken, die von Laas angesprochen wird: Das wäre Material für vier bis acht Bars gewesen. Damit hätte er die Crowd auf seiner Seite gehabt und hätte mit einer anderen ausgemachten Schwäche Ronis weitermachen können. So überstrapaziert er das Thema. Das ist schlicht gesagt langweilig, auch wenn es technisch nicht anspruchslos wurde. Dabei geht es nicht mal so sehr darum, dass man als Zuschauer*in nach stumpfer Unterhaltung verlangt (was viele sicherlich tun), sondern darum, dass die Runde zu eindimensional und unkreativ gerät, wenn man nur ein Kaninchen aus dem Hut zaubert und nicht zehn.

Im Gegensatz zum ersten Schlagabtausch ist es hier furchtbar schwer, sich für einen MC zu entscheiden. Ich würde die Runde Roni geben aus folgenden Gründen: Die Rebuttals am Anfang waren solide und das Homophobie-Thema hat er wesentlich besser genutzt als umgekehrt Merlin den Israel-Konflikt. Wir reden hier aber wirklich von einer Nasenspitze.

Im letzten Part kontert Roni erneut einige Lines: Endlich hat Merlin ein Buch gelesen! Ein weiterer indirekter Rebuttal (anspielend auf die Spannungen zwischen Juden/Jüdinnen und Moslems im Nahen Osten): Schwein ist haram. Es folgen außerdem einige starke Freestyle-Lines, in denen Roni aufblitzen lässt, dass die Argumentation von Merlin in der zweiten Runde relativ schnell widerlegt werden kann. Schade ist allerdings, dass er Zeilen von Merlin aufgreift und diese als Front verkauft, siehe die „doppelte S-/Essstörung“.

Darauf geht Merlin natürlich sofort ein und macht den Punch von Roni unbrauchbar. Dass er die globale Amerikanisierung und die mangelnde Demokratie in den USA anspricht, ist insofern verwunderlich, als Deutschland auch nicht gerade das politische Schlaraffenland ist. Allerdings ist das nur eine kleine Inkonsistenz in einer ansonsten soliden Runde, die aber nicht an den ersten Part anknüpfen kann. Auch hier gibt es wieder ein Fotofinish – in diesem Fall jedoch für Merlin, der insgesamt das rundere Gesamtpaket (no pun intended) abgeliefert hat.

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