Erstveröffentlichung: 29. November 2014
Label: /
Format: CD/Download
Manchmal kann man sich fragen, ob die große Anzahl an Online-Turnieren im Bereich des deutschsprachigen Raps eigentlich notwendig ist. VBT, JBB, Rap-Sparring. Meistens mit den üblichen Verdächtigen – anfangs ist das noch interessant, aber mit jeder weiteren Runde verlieren diese Formate auch immer proportional an Spannung. Ein Wettbewerb sticht da allerdings heraus: RAPutation. Endlich ein paar neue Gesichter, die über relevante Themen rappen. Dass das Format auch langfristig Früchte trägt, zeigt das Debüt-Album „Gold“ von Icarus, für den RAPutation das Sprungbrett in den großen Musikzirkus war.
Folgerichtig sind seine Wettbewerbsbeiträge „56 89 23“, „Kartenhaus“ und – vor allem – „Berkin Elvan“ auch auf der Scheibe zu finden. Letzterer Song hat sich im Übrigen in diesem so Jahr so tief in meinem Hörkanal eingenistet, dass ich ihn seit der Erstveröffentlichung nicht mehr los werde. Auch RAPutation-Juror Weekend hat sich in „Kartograph“ auf das Album geschlichen. Das ist schön, denn er bringt einen guten Part und große Namen können ja nie schaden. Eigentlich wäre „Gold“ aber auch vollends ohne Features ausgekommen, so dicht ist Icarus Performance über die gesamte Laufzeit.
Keine Ahnung, wie er das macht. Es werden gefühlt hundert verschiedene Themen behandelt: Mal der nordamerikanische Goldrausch („Klondike“), mal die Deep Water Horizon als Seeungeheuer („Neptun“) oder auch die jüngsten Unruhen in der Türkei (bereits angesprochen: „Berkin Elvan“). Trotzdem wirken die Tracks zu keiner Zeit beliebig. Alles klingt so, als würde Icarus jetzt gerade aus der Szenerie zu uns sprechen. Storytelling, obwohl man die Story gar nicht erlebt hat. Auf diesem Niveau ist mir das noch nicht begegnet. Dazu kommt, dass keine Line qualitativ abfällt. Jede Zeile könnte man als kluges Zitat in einer Diskussion mit intelligenten Menschen bringen. Und dabei ist dieses Zitierpotenzial nicht aufdringlich (so wie manch andere Künstler*innen zwanghaft versuchen, Bedeutung in Wörter zu pressen), sondern scheint natürlicherweise zu existieren. Ihr wisst schon. Lines, die einem während des Hörens ein Lächeln auf‘s Gesicht zaubern, weil sie so ausgefuchst sind.
„Gold“ will nicht gefallen, wird auch mal unbequem – und genau das macht es unglaublich sympathisch. Mit Köpfchen, aber nicht verkopft. Und das alles gebettet auf die Beats von Meat&Beats, die einen großartigen Job gemacht haben und entscheidend zur allumspannenden Atmosphäre beitragen. Bleibt zu hoffen, dass dieses Album nicht unter dem Radar der einschlägigen HipHop-Medien fliegt und die Anerkennung bekommt, die es verdient.
5/5