Reviews

Icarus – 24 Karat

Letztes Jahr war ich sehr begeistert von Icarus‘ Debütalbum „Gold“ (hier geht’s zur Review). Und dass der junge Herr richtig was drauf hat, hat jetzt auch HipHop.de gemerkt. Der Song „24 Karat“ hat ein schönes Video verpasst bekommen und ist nun auf dem Kanal veröffentlicht wurden. Nicht nur gute Musik bekommt man geboten, nein, auch amüsante Kommentare sind dabei:

„wie soll ich  auf so einem Scheiss  meine  Eisen Stämmen , macht mich nicht aggressiv  nix . Studenten Rap ist das“ schreibt Jays Holm. Eben, macht nicht aggressiv nix. Ist also top!

Q-Cut – Keats Vol. 2 – Kaiju Dugu

Q-Cut - Keats Vol. 2 - Kaiju Dugu

Erstveröffentlichung: 13. November 2014

Label: Keats/hhv.de

Format: LP/Download

2014 war ein großes Hip Hop-Jahr. Einige Nummer 1-Alben, die Anerkennung im Feuilleton und junge MCs und Produzent*innen, die an jeder Straßenecke hervor sprießen. Ganz hoch im Kurs: „Raop“ à la Cro (Friedefreudeeierkuchen) oder Gangsta-Rap à la Haftbefehl (Krieghasskartoffelpuffer). Die beherrschenden Themen waren somit Lebensfreude und Spaß auf der einen, Straße und Hustlen auf der anderen Seite. Doch unter dem grobmaschigen Radar fliegen auch ganz andere Alben hindurch. Alben, in denen es um Monster geht, die in deine Hood kommen um eine Riesensause zu feiern. So gestaltet es sich jedenfalls auf „Keats Vol. 2 – Kaiju Dugu“ von Q-Cut aus Berlin. „Kaiju“ ist japanisch für Monster, „dugu“ ein Begriff für ein mittelamerikanisches Fest – fertig ist dein ganz persönlicher Schrecken. (mehr …)

Icarus – Gold

Erstveröffentlichung: 29. November 2014

Label: /

Format: CD/Download

Manchmal kann man sich fragen, ob die große Anzahl an Online-Turnieren im Bereich des deutschsprachigen Raps eigentlich notwendig ist. VBT, JBB, Rap-Sparring. Meistens mit den üblichen Verdächtigen – anfangs ist das noch interessant, aber mit jeder weiteren Runde verlieren diese Formate auch immer proportional an Spannung. Ein Wettbewerb sticht da allerdings heraus: RAPutation. Endlich ein paar neue Gesichter, die über relevante Themen rappen. Dass das Format auch langfristig Früchte trägt, zeigt das Debüt-Album „Gold“ von Icarus, für den RAPutation das Sprungbrett in den großen Musikzirkus war.

Folgerichtig sind seine Wettbewerbsbeiträge „56 89 23“, „Kartenhaus“ und – vor allem – „Berkin Elvan“ auch auf der Scheibe zu finden. Letzterer Song hat sich im Übrigen in diesem so Jahr so tief in meinem Hörkanal eingenistet, dass ich ihn seit der Erstveröffentlichung nicht mehr los werde. Auch RAPutation-Juror Weekend hat sich in „Kartograph“ auf das Album geschlichen. Das ist schön, denn er bringt einen guten Part und große Namen können ja nie schaden. Eigentlich wäre „Gold“ aber auch vollends ohne Features ausgekommen, so dicht ist Icarus Performance über die gesamte Laufzeit.

Keine Ahnung, wie er das macht. Es werden gefühlt hundert verschiedene Themen behandelt: Mal der nordamerikanische Goldrausch („Klondike“), mal die Deep Water Horizon als Seeungeheuer („Neptun“) oder auch die jüngsten Unruhen in der Türkei (bereits angesprochen: „Berkin Elvan“). Trotzdem wirken die Tracks zu keiner Zeit beliebig. Alles klingt so, als würde Icarus jetzt gerade aus der Szenerie zu uns sprechen. Storytelling, obwohl man die Story gar nicht erlebt hat. Auf diesem Niveau ist mir das noch nicht begegnet. Dazu kommt, dass keine Line qualitativ abfällt. Jede Zeile könnte man als kluges Zitat in einer Diskussion mit intelligenten Menschen bringen. Und dabei ist dieses Zitierpotenzial nicht aufdringlich (so wie manch andere Künstler*innen zwanghaft versuchen, Bedeutung in Wörter zu pressen), sondern scheint natürlicherweise zu existieren. Ihr wisst schon. Lines, die einem während des Hörens ein Lächeln auf‘s Gesicht zaubern, weil sie so ausgefuchst sind.

„Gold“ will nicht gefallen, wird auch mal unbequem – und genau das macht es unglaublich sympathisch. Mit Köpfchen, aber nicht verkopft. Und das alles gebettet auf die Beats von Meat&Beats, die einen großartigen Job gemacht haben und entscheidend zur allumspannenden Atmosphäre beitragen. Bleibt zu hoffen, dass dieses Album nicht unter dem Radar der einschlägigen HipHop-Medien fliegt und die Anerkennung bekommt, die es verdient.

5/5

Neonschwarz – Fliegende Fische

Neonschwarz - Fliegende Fische

Erstveröffentlichung: 19. September 2014

Label: Audiolith

Format: CD/LP/Download

Da schau her, Audiolith hauen schon wieder was mit Rap raus. Dieses Mal handelt es sich um die HipHop-hörende Schwester von Trouble Orchestra: Neonschwarz. Mit an Bord: Johnny Mauser, Marie Curry, Captain Gips und Spion Y. Ihr Album „Fliegende Fische“ stampft gewissermaßen ein ganz neues Subgenre aus dem Boden. Ich nenne es Piraten-Zeckenrap. Siehe Cover. Siehe Songs. (mehr …)

Kobito – Blaupausen

KOBITOErstveröffentlichung: 06.Juni 2014

Label: Audiolith

Format: CD/LP/Download

Kobito macht Musik, die irgendwie besonders ist. Er rappt – das ist ja noch nicht ungewöhnlich. Normalerweise eine Musikrichtung, die eher durch Härte geprägt ist. Bei ihm wirkt sie aber ganz zart. So weit, so hippiesk. Tatsächlich verbindet Kobito darüber hinaus sein gutes Gespür für musikalische Stimmungen mit intelligenten Texten. Kein Wunder, dass er bei Audiolith gesignt wurde. (mehr …)

Figub Brazlevic – Ersatzverkehr

Figub-Brazlevic-Ersatzverkehr-CoverErstveröffentlichung: 30. Mai 2014
Label: Showdown Records
Format: LP/Tape/Download

Dass Figub Brazlevic meiner Meinung nach einer der begabtesten Producer in diesem Land ist, habe ich ja schon öfter betont. Jetzt hat er sein Remix-Album „Ersatzverkehr“ über Showdown veröffentlicht und genau diesen Eindruck bestätigt. (mehr …)

Sookee – Lila Samt

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Sookee ist momentan vermutlich die bekannteste Rapperin Deutschlands. Mit „Lila Samt“ hat sie vor zwei Wochen bereits ihr siebtes Album veröffentlicht. Und das hört man.
Sowohl technisch, als auch inhaltlich ist sie dem Durchschnittsrapper meilenweit überlegen. Warum?

Weil sie Flowvariationen noch und nöcher im Gepäck hat. Weil sie Dinge anspricht, an denen der (deutsche) Hip-Hop derzeit erkrankt ist. Weil sie ein sicheres Händchen beim Beatpicken beweist. Weil sie sauber und on beat rappt. Und weil sie sich nicht scheut, ihre Künstlerkollegen direkt den Spiegel vorzuhalten.

Warum braucht Rap das? Hip-Hop kommt von unten, Hip-Hop war schon immer das Sprachrohr der Benachteiligten. Somit hat er wie kein anderes Genre das Potenzial, Themen zu problematisieren, in den Fokus zu rücken und schlussendlich womöglich sogar zu verändern. Paradoxerweise wird Hip-Hop aber auch als Mittel zur Unterdrückung anderer Menschen benutzt. Sei es zur Diskriminierung von Homosexuellen, Frauen, Menschen bestimmten ethnischen Ursprungs, oder auch zur Manifestierung bestimmter gesellschaftlicher Umstände, die die soziale Ungleichheit dieser Menschen aufrecht erhalten.

Inwiefern geschieht dies? Natürlich ist die Hip-Hop-Szene keine politische Organisation oder gar Partei, die konkret Dinge fordert. Trotzdem gestalten wir alle mit unserem Verhalten und unserer Sprache soziale Realität. Ohne zu stark in die Soziologie abgleiten zu wollen, möchte ich das mit einem simplen Gedanken veranschaulichen: Obwohl die Beats natürlich eine wichtige Rolle einnehmen, liegt der Fokus im Hip-Hop doch klar auf dem Text. Er wird als Ventil betrachtet. Dem angestauten Ärger kann Luft gemacht werden. Ihm wird eine außergewöhnliche Relevanz beigemessen, er wird geschätzt und Rapper*innen, die Sinnlosigkeiten aneinanderreihen, werden des Zweckreimmassakers bezichtigt. Gleichzeitig wird bei diskriminierenden Textstellen sofort darauf verwiesen, dass es doch nur Rap sei. Das ist ein Widerspruch in sich. Die Dinge stärker zu gewichten, die einem selbst in den Kram passen und gleichzeitig die Stellen als Quatsch abzutun, die andere Menschen verletzten könnten, ist nicht konsequent.

Eins sollte schon hier festgestellt werden: Es soll keine Sprachpolizei eingeführt werden („Ich bin nicht die BPjM“, in „Vorläufiger Abschiedsbrief“). Das Einzige, was gefordert wird, ist (vereinfacht gesagt), dass sich jede*r auf einem Rap-Event wohlfühlen kann (und im Großen natürlich auch in der Gesellschaft). Steht beispielsweise eine homosexuelle Person bei einem Battle im Publikum und hört sich den ganzen Abend an, wie sich die Kontrahent*innen gegenseitig als „Schwuchtel“ oder „Tunte“ bezeichnen und Punches darin bestehen, dass der Gegner in irgendeiner Weise mit Männern verkehrt, wird die Lebensform dieses Menschen als beleidigendes Element verwendet. Kurzes Gedankenspiel: Würde ein Rapper im Battle des Verkehrs mit einer Frau bezichtigt, käme das niemals als Punchline durch. Dahinter steckt letztendlich, dass ein homo- oder bisexuelles Lebensentwurf als weniger erstrebenswert als das heterosexuelle Modell eingestuft wird und darum als Beleidigung eingesetzt werden kann.

Wenn man dies anprangert, geht es erstmal nicht darum, alle als bewusst homophob, sexistisch, rassistisch oder was auch immer hinzustellen. Meiner Meinung nach gibt es Rapper*innen, die ganz genau wissen, was sie von sich geben und andere, denen die Dimension ihrer Worte nicht bewusst ist. Letztere halte ich für die größere Gruppe.

Hier kann nun der Bogen zu Sookees „Lila Samt“ geschlagen werden. Das Album ist ein musikalisches Manifest des Feminismus und nimmt Kritiker*innen den Wind aus den Segeln, die behaupten, dass Feminist*innen sich nur für Vorteile von Frauen einsetzen und somit gegen Männer arbeiten würden. Es gibt Strömungen, denen man das vorwerfen könnte. Im modernen Feminismus geht es hingegen zumeist um eine völlige Gleichstellung. Für alle. Damit werden nicht nur Frauen Türen geöffnet, sondern auch Männern, weil auch sie von starren heteronormativen Standards betroffen sind. Sookee ist wichtig, weil sie genau das betont – ohne sich an die Leute, die sie kritisiert, anzubiedern. Hört an dieser Stelle: „If I Had A“ (u.a. „Maskulisten wollen Männer ändern“).

Sie spricht an, dass es keine Kardinallösung für das ganze Kuddelmuddel gibt (u.a. „Wenngleich Zuweilen“ mit Amewu). Logisch, denn wo ist nun die Grenze zu ziehen? Wo endet der persönliche Diss und wo fängt Diskriminierung an? Da vermutlich jede*r eine andere Schmerzgrenze hat, möchte ich mir nicht anmaßen, diese Frage zu beantworten. Die Sprache soll nicht bereinigt, sondern sensibilisiert werden. Das wäre ein Anfang.

Sozialisation darf keine Entschuldigung mehr sein. Sie trägt zu bestimmten Meinungen, Gedanken usw. bei – klar. Sie ist aber keine Rechtfertigung für Ignoranz und Sturheit, wenn man die Möglichkeit hat, seine Meinung zu überdenken, z.B. durch Diskussionen oder Diskurse im Allgemeinen („Vorläufiger Abschiedsbrief“).

Ich möchte das Album nun nicht komplett Track by Track zerpflücken. Hört es euch einfach an. Für mich ist es eines der wichtigsten Releases in diesem Jahr, weil es nach Hip-Hop klingt – und irgendwie auch nicht. In Sachen Sound, Vocals, Beats wird hier jede*r Spaß haben, der/die Bock auf Hip-Hop hat. Wer darüber hinaus noch gerne nachdenkt und sich Themen widmen möchte, die im deutschen Rap bislang eher selten angesprochen wurden, wird einen Kauf auch nicht bereuen. Worum es für mich auf dieser Platte geht, habe ich versucht, zusammenzufassen. Jetzt könnt ihr euch selbst ein Bild machen.

5/5